Teilnehmer: Dr. Ulf Bauer, Prof. Hartmut Lobeck, Detmer Hasselmann, Dr. Manurishi Nanda, Dr. Nadja Taumberger
Einsatzort: Holy Family Hospital, Techiman, Ghana
Ursprünglich war geplant, dass Dr. Isabella Pfniss, Dr. Manurishi Nanda und ich zu dritt nach Techiman fliegen, doch leider erkrankte Dr. Pfniss einen Tag vor Abflug, sodass wir den Einsatz zu zweit durchführen mussten.
Nach einer reibungslosen Anreise mit dem Bus von Graz nach Wien und zwei Flügen mit Turkish Airways über Istanbul landeten wir am 7.7.2023 gegen 18:00 abends in Accra. Dr. Ulf Bauer und Prof. Hartmut Lobeck, unserer deutschen Kollegen, hatten wir am Flughafen in Istanbul getroffen, wo wir bereits sehr herzlich begrüßt worden sind.
Den Abend und die Nacht verbrachten wir gemeinsam in einem Hotel in Accra und am nächsten Tag wurden wir gegen 10:30 abgeholt und für den Weiterflug nach Kumasi zum Flughafen gebracht. Nach einer Stunde Flugzeit landeten wir schließlich in Kumasi und wurden von Christopher Akanbobnaab so herzlich begrüßt, als wären wir nach einer langen Reise endlich nachhause gekommen. Mit dieser Positivität, Freude und Herzlichkeit ging es für uns zwei Stunden lang Richtung Norden, um schließlich am späten Nachmittag am Campus des Holy Family Hospitals unsere Zimmer zu beziehen.
Noch am selben Tag zeigte uns Dr. Ibrahim Friko, der Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe vor Ort, die Räumlichkeiten seiner Abteilung inklusive Kreissaal, Wöchnerinnenstation, gynäkologische Station, Ambulanzräume und OP-Trakt. Am Abend saßen wir dann müde aber glücklich und zutiefst überwältigt von all den Eindrücken und der Gastfreundschaft der lokalen Kollegen mit dem Priester des Krankenhauses, den gesamten organisatorischen wie auch wirtschaftlichen Vorständen des Krankenhauses und Dr. Friko bei einem selbstgekochten Abendessen in unserem Gästehaus zusammen und ließen den Tag gemütlich ausklingen, bevor wir am Montag mit unserem straffen Programm starteten.
Unseren Ablauf für die Woche hatten wir bereits im Vorfeld mit Dr. Friko geklärt, sodass wir am Montag um 07:45 mit einer gynäkologischen, gefolgt von einer geburtshilflichen Ultraschall-Vorlesung starten konnten. Diese wurde mit allen 7 ghanaischen Kolleginnen gemeinsam im Konferenzraum abgehalten, wo eine Übertragung mit Beamer möglich war.
Insgesamt haben wir in den 5 Tagen folgende Einheiten anhand von interaktiv gestalteten Vorträgen behandelt:
- Gynäkologischer Basisultraschall inklusive der häufigsten Pathologien und IOTA-Kriterien
- Geburtshilflicher Basisultraschall: Biometrie im 2. Und 3. Trimester
- Vertiefter geburtshilflicher Ultraschall:
- Neuroanatomie, häufigste neurologische Fehlbildungen
- Vertiefte Anatomie des Abdomens, Fehlbildungen des Abdomens und des Urogenitaltraktes
- Dopplersonografie, SGA und IUGR
- Handvakuum (KIWI) Teaching
- Brustkrebs, Brustkrebsvorsorge und Therapiealgorithmen
- Brustultraschall Teaching
- Anpassung und Legen von Pessaren (Spende Firma Ranacher)
- CTG Teaching: dieses wurde auch von sehr vielen der lokalen Hebammen besucht und sehr gut evaluiert und angenommen, da es vor Ort zwar zwei CTG-Geräte gibt, diese aber für die Menge an 4500 Geburten pro Jahr zu wenig sind und auch die Erfahrung bezüglich CTG-Beurteilung eingeschränkt vorhanden ist.
Danach war jeden Tag Zeit für Hands-On Übungen eingeplant, welche an dem relativ neuen, gespendeten Samsung Ultraschallgerät im Untersuchungszimmer im Kreissaal durchgeführt wurden. Dieses hat eine sehr gute Qualität und wir konnten damit die gesamte Woche jeden Fehlbildungsultraschall, Biometrie, Frühschwangerschaftsbeurteilungen, Plazentationsstörungen (Plazenta praevia und Vasa Praevia), Plazentabeurteilung (bei lokal hoher Re-Sektiorate – derzeit 57% – und dadurch hohen PAS=Plazent accreta Spectrum Risiko), Eileiterschwangerschaftsbeurteilung oder -ausschluß, sowie Beurteilung der unterschiedlichsten gynäkologischen Fragestellungen mühelos mit den ghanaischen Kolleginnen bearbeiten.
Unter anderem diagnostizierten bzw. untersuchten wir
- eine bisher unbekannte Holoprosenzephalie in der 37. SSW
- eine ausgeprägte Omphalocele in Kombination mit einer Retrognathie und Plexus choroideus Zysten in der 18. SSW. Aufgrund der komplexen Situation und der großen Omphalocele entschied sich das Paar für eine TOP (termination of pregnancy)
- eine Eileiterschwangerschaft
- MCDA-Zwillinge in der 36. SSW mit multizystischen Nieren
- zwei 11cm große Raumforderungen im kleinen Becken – verdächtig auf Borderlinetumoren
- ein Fibroadenom
- und mehrere Frühschwangerschaften.
Nebenbei führten wir eine Wendung bei BEL, eine HyCosy bei Infertilität und eine Hydrosonografie bei V.a. Endometriumpolypen durch, passten Pessare an und evaluierten die lokalen Gegebenheiten und Möglichkeiten der Kolposkopie.
Parallel zu den Ultraschalleinheiten am Vormittag operierten wir im OP täglich ein oder zwei Patientinnen mit den ghanaischen Kolleginnen gemeinsam, wobei alle Operationen offen erfolgten.
Folgende Fälle haben wir in dieser Woche operativ betreut:
- Montag: 2 Fälle von perimenopausalen Patientinnen um die 50 Jahre mit Uterus myomatosus, welche eine totale abdominelle Hysterektomie mit Adnexektomie bds. per Pfannenstiellaparotomie erhielten (Uterus 2,9kg und 1kg).
- Dienstag: 55-jährige Patientin mit V.a. frühes Endometriumkarzinom bei Postmenopausenblutung, welche ebenfalls eine totale abdominelle Hysterektomie mit Adnexektomie bds. erhielt, jedoch per medianer UB-Laparotomie.
- Mittwoch: 73-jährige Patientin mit einem 5×5 cm großen Teratom am rechten Ovar, wir führten bei st.p. medianer UB-Laparotomie eine neuerliche mediane UB-Laparotomie mit totaler abdomineller Hysterektomie und Adnexektomie bds. durch.
- Donnerstag: 60-jährige Patientin mit einem Cervixmyom an der hinteren MM-Lippe mit Kontaktblutungen zur totalen abdominellen Hysterektomie mit Adnexektomie bds. Per Pfannenstiellaparotomie sowie eine ca. 45-jährige Patientin mit Uterus myomatosus zur totalen abdominellen Hysterektomie mit Adnexektomie bds. per Pfannenstiellaparotomie (Uterus ca. 2kg).
- Freitag: geplante abdominelle Hysterektomie einer 35-jährigen GIII P2, st.p. 2x SPP und 1x Abortus vor 3 Monaten, bei unklarer Serometra sowie Vaginalatresie und vaginaler Blutung. Nach der Pfannenstiellaparotomie zeigten sich neben einer massiv verhärteten und gegen die Umgebung unverschieblichen Cervix peritoneale Auflagerungen im kleinen Becken, sodass meinerseits eine vaginal-rektale Untersuchung perioperativ durchgeführt wurde – diese zeigte ein infiltriertes Parametrium links bis zur Beckenwand sowie ein verkürztes Parametrium rechts. Zusätzlich die Scheide bis ins mittlere Drittel ringförmig stenosiert, daher hochverdächtig auf ein Cervixkarzinom, klinisch zumindest FIGO IIIB. Nach interdisziplinärer Beratung mit Dr. Friko Abbruch der OP nach vorheriger PE-Entnahme aus der Scheide und der Plica vesicouterina.
Unsere Arbeitstage waren somit zumeist von 07:45 bis zumindest 18:00, oft 19:00 gut gefüllt, sodass wir leider an dem ein oder anderen Ausflug in die Umgebung von Techiman nicht teilnehmen konnten. Die Motivation, die Freude und die Hingabe unserer ghanaischen Kollegen vor Ort war jedoch so ansteckend, dass wir jede freie Minute mit Ihnen gemeinsam nutzen wollten, um unseren gegenseitigen Wissensaustausch in der kurzen Zeit so effektiv wie nur möglich gestalten zu können.
Zu Mittag gab es immer Essen aus der Krankenhauskantine für uns, welches extra in den Sozialraum des OP-Traktes gebracht wurde und ausgezeichnet war. Die gute Seele des OPs, Schwester Martina, war die gesamte Woche um unser leibliches und seelisches Wohl bemüht und hat uns mit ihrem Engagement, ihrer Organisation und ihrer Hingabe den Aufenthalt im OP so angenehm wir nur möglich gestaltet.
Am vorletzten Abend gingen wir schließlich mit allen Gynäkologinnen und Ulf gemeinsam Essen und haben die Woche bei emotionalen und sehr berührenden Reden Revue passieren lassen.
Am Freitag konnten wir noch bevor wir um 13.00 Uhr die tolle Zusammenarbeit beendet haben, gemeinsame Ziele und Aussichten für nächste Einsätze planen. Um halb drei machten wir uns auf den Weg zur Residenz des Bischofs von Techiman, der uns dort herzlich empfing.
Auch er sprach uns seinen Dank aus und nach zwei Stunden ausgelassenem und fröhlichen Zusammensein bei Essen und Getränken machten wir uns mit Christopher, Ulf und Hartmut gemeinsam im Auto auf den Weg nach Kumasi, um dort die letzte Nacht zu verbringen und dann schweren Herzens am Samstag unseren Heimweg anzutreten.
Alles in allem können wir sagen, dass die Herzlichkeit, Dankbarkeit, Motivation und Hingabe zur Medizin, welche wir erleben durften, all unsere Erwartungen übertroffen hat. Das Team vor Ort ist hervorragend eingespielt, wissbegierig und der Chefarzt Dr. Friko eine wahre Inspiration, wenn es darum geht, ein Team und eine Abteilung aufzubauen, zu leiten und voranzubringen.
Die Kreissaalevaluierung haben wir aufgrund unserer fehlenden österreichischen Kollegin nicht genauso umsetzen können wie geplant, jedoch würde es sich für kommende Einsätze empfehlen, auch eine Hebamme einzubinden, da der Kreissaal hebammengeführt ist.
Da dieser erste Besuch vor allem der Sondierung der Bestandsaufnahme vor Ort gegolten hat, anbei nun unsere Beobachtungen bezüglich dringend notwendiger Materialien und Vorschläge für künftige Einsätze.
Dringend benötigtes Material:
- Selbsthalter (zumindest 10 Stück, besser mehr): bisher werden fast alle Laparotomien mit einem Laparotomie Haken und ohne Assistenz durchgeführt, die Selbsthalter würden die Arbeit der ghanaischen Kollegen deutlich erleichtern.
- Zumindest zwei weitere Laparotomie Sets, da nur zwei vor Ort verfügbar sind und bei einer dritten OP am Tag somit lange Wartezeiten entstehen
- Myomektomie Sets, zumindest zwei da eine hohe Anzahl an Myomenukleationen bei Kinderwunsch und Uterus myomatosus durchgeführt wird.
- Metzenbaumscheren, idealerweise zumindest fünf
- TVTs: Dr. Friko hat darum gebeten, dass TVT-Anlagen etabliert werden in Zukunft, da es derzeit keine Behandlungsmöglichkeit für Belastungsharninkontinenzen gibt und die Patientinnen somit oft einen hohen Leidensdruck aufgrund der Symptome ohne Therapiemöglichkeit haben. Meinerseits wird bis zum nächsten Einsatz versucht, einerseit das Material und andererseits einen Kollegen oder eine Kollegin zu finden, damit die OP dort gezeigt und Dr. Friko beigebracht werden kann.
- Alle Arten von Klemmen inklusive Kocherklemmen und Wertheimklemmen
- Nahtmaterial (v.a. ab 3.0 oder dünnerer Fadenstärken)
- Ultraschallgel
- Pessare aller Größen: unter anderem aufgrund der durchschnittlichen Parität von zumindest 3 Kindern pro Frau herrscht eine hohe Prävalenz an uterovaginalem Descensus in Ghana. Bei unserem Aufenthalt haben wir auch gesehen, dass bereits junge Frauen unter 40 Jahren oft davon betroffen sind und daher wären konservative Therapiemethoden – Pessare – dringend notwendig, um die Lebensqualität der betroffenen Frauen zu verbessern, da derzeit die einzige Behandlungsmöglichkeit die operative Therapie ist.
- Östrogencreme begleitend zur Pessartherapie
- Handvakuums
- Einmalkauter mit resterilisierbarem Aufsatz
- Wiederverwendbare Konisationsschlingen
Pläne und Vorhaben
Weiters gab es von Dr. Nanda ausgehend Gespräche bezüglich des Plans zur Etablierung eines fetomaternalen Schwerpunkts mit Fokus auf Fehlbildungsultraschall im Holy Family Hospital Techiman. Der Plan sollte auf 5 Jahre ausgelegt sein und zum Ziel haben, dass zumindest 2 Mediziner vor Ort First Trimester Screenings (ETS) und Organscreenings durchführen können. Diese sollten dann weitere Kolleginnen einschulen und weiterbilden können. Dies könnte eventuell in Zusammenarbeit mit Prof. Nicolaides aus London erfolgen, da dieser auch in Entwicklungsländern tätig ist und seine Vorträge auch für dieses Einsatz kostenfrei zur Verfügung gestellt hat.
Weiters wäre für 2024 je nach Verfügbarkeit eines Urogynäkologen im Team das Erlernen und bestenfalls auch Etablieren von TVT für Belastungsharninkontinenz geplant und weitere Pessare sollen vor Ort bereitgestellt werden.
Bezüglich der hohen Rate an Cervixkarzinomen in Ghana von ca. 3000 Neuerkrankungen pro Jahr wäre es von äußerster Wichtigkeit, ein Früherkennungsprogramm zu etablieren. Dieses sollte kosteneffizient, umsetzbar und niederschwellig sein. Diesbezüglich finden gerade Sondierungs- und Planungsgespräche mit der ESGO, dem Präventionskomitee der ESGO unter der Leitung von Dr. Murat Gultekin, der WHO, Prof. Elmar Joura aus Wien und Dr. Friko statt, um eine Strategie sowie Pilotstudie im ersten Halbjahr 2024 realisieren zu können. Geplant wäre einerseits bei den Besuchen der Kinderärzte in den ländliche Gegenden HPV Self Sampling der Mütter durchzuführen und andererseits die Kolleginnen vor Ort in Kolposkopie zu schulen, um ein See-and-Treat zu ermöglichen. Da eine Biopsie von den Patientinnen derzeit selbst gezahlt werden muss, erscheint diese Methode primär effektiver und leichter umsetzbar. Auf längere Sicht hin wäre natürlich eine Therapie mit Kolposkopie gefolgt von Biopsie und je nach Biopsie Ergebnis durchführen einer Konisation wünschenswert.
Zusammenfassend können wir als österreichischen Einsatzteam uns nur von ganzem Herzen bei Ulf und Hartmut für die hervorragende Organisation und bei den ghanaischen Kollegen für die Gastfreundschaft und Herzlichkeit bedanken, da uns so eine unvergessliche und lehrreiche Woche ermöglicht wurde.
Wenn man nach so einem Aufenthalt mit einem lachenden und einem weinenden Auge den Einsatzort verlässt, dann weiß man, dass man 10.000 Kilometer von zuhause entfernt Freunde und Familie gefunden hat. Wir freuen uns jetzt schon darauf, all die kommenden Projekte mit unseren ghanaischen Kollegen vor Ort und der Unterstützung von Medical Support in Partnership umsetzen zu dürfen.
Anbei noch einige bildliche Eindrücke von unserem Einsatz.
Juni 2023
Nadja Taumberger